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MANDANTEN NEWSLETTER 04/2023

11.08.2023

Worum geht es?

Der Gesetzgeber hat durch das sog. Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) die Vorschrift des § 3 Nr. 72 EStG in das Einkommensteuergesetz aufgenommen. Nunmehr sind die Einnahmen aus dem Betrieb einer PV-Anlage grundsätzlich steuerfrei. Damit verbundene Betriebsausgaben können allerdings auch nicht mehr in Abzug gebracht werden.

Die Vorschrift unterliegt einigen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Die genaue Auslegung des Gesetzeswortlaut war bisher noch offen.

Das BMF schafft hier nun durch ein neues Schreiben vom 17. Juli 2023 entsprechende Abhilfe.


Für wen gilt die Befreiungsvorschrift?

Die Steuerbefreiung für bestimmte Photovoltaikanlagen gilt für natürliche Personen, Mitunternehmerschaften (i.d.R. Personengesellschaften) und Körperschaften.


Welche PV-Anlagen sind begünstigt?

Erster Schritt

Vorwegzuschicken ist, dass eine gebäudebezogene Betrachtung für die weiteren Ausführungen relevant ist. Begünstigt sind Photovoltaikanlagen, die sich auf, an oder in dem jeweiligen Gebäude befinden (einschließlich Nebengebäude, wie z. B. Gartenhäuser, Garagen, Carports). Begünstigt sind auch dachintegrierte und sog. Fassadenphotovoltaikanlagen. Freiflächen-Photovoltaikanlagen sind unabhängig von ihrer Größe nicht begünstigt. Bei der Prüfung der Anzahl der Wohn-/Gewerbeeinheiten ist regelmäßig auf die selbständige und unabhängige Nutzbarkeit abzustellen. Es ist nicht erforderlich, dass der Betreiber der Photovoltaikanlage auch Eigentümer des Gebäudes ist, auf, an oder in dem sich die Photovoltaikanlage befindet.

Folgende Maßgaben / maximale Leistungen gelten laut Gesetz:

Art des GebäudesMaximale Leistung der Anlage(n) in kW (peak) je Steuerpflichtiger / Mitunternehmerschaft (gebäudebezogene Betrachtung)
Einfamilienhaus30,00
Wohnzwecken dienendes Zwei- oder Mehrfamilienhaus15,00 je Wohneinheit
Gemischt genutzte Immobilie15,00 je Wohn-/Gewerbeeinheit
Nicht Wohnzwecken dienendes Gebäude, z. B. Gewerbeimmobilie mit einer Gewerbeeinheit, Garagengrundstück30,00
Gewerbeimmobilie mit mehreren Gewerbeeinheiten15,00 je Gewerbeeinheit

Beispiele :

a) Der Steuerpflichtige hat auf einer gemischt genutzten Immobilie (ein Ladengeschäft und zwei Wohnungen) eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 40,00 kW (peak), damit unter den zulässigen 45,00 kW (peak) für drei Einheiten, und daneben auf einer Gewerbeimmobilie eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 20,00 kW (peak). Beide Anlagen sind begünstigt.

b) Der Steuerpflichtige hat auf seinem Haus mit zwei Wohneinheiten und der dazugehörigen Garage jeweils eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 15,10 kW (peak). Beide Anlagen sind nicht begünstigt, da deren maßgebliche Leistung insgesamt mit 30,20 kW (peak) die für diese Gebäudeart zulässigen 30,00 kW (peak) überschreitet.

Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der jeweilige Steuerpflichtige oder die jeweilige Mitunternehmerschaft insgesamt die sog. 100,00 kW (peak)-Grenze einhält.

Dabei sind die maßgeblichen Leistungen aller nach § 3 Nummer 72 EStG begünstigten Photovoltaikanlagen, die vom Steuerpflichtigen oder der Mitunternehmerschaft auf, an oder in Gebäuden betrieben werden, für die Ermittlung der 100,00 kW (peak)-Grenze zu addieren. Das gilt sowohl für Anlagen, die sich auf demselben Grundstück befinden, als auch für Anlagen auf verschiedenen Grundstücken. Dabei ist unerheblich, ob die Anlagen technisch voneinander getrennt sind.

Betreibt der Steuerpflichtige (pro Person bzw. Gesellschaft) Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von mehr als 100,00 kW (peak), ist die Steuerbefreiung insgesamt nicht anzuwenden (Freigrenze).

Zu beachten ist : PV-Anlagen, die ohne Gewinnerzielungsabsicht (sprich: der sog. Totalgewinn zwischen Gründung und Veräußerung / Aufgabe des Betriebs ist voraussichtlich negativ) betrieben werden, fallen bereits nicht unter eine relevante Einkunftsart, so dass eine Steuerbefreiung gar nicht erst zu prüfen ist.


Wie ist der Umfang der Steuerbefreiung?

Steuerbefreit sind Einnahmen und Entnahmen in Bezug auf den erzeugten Strom sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch Einnahmen bzw. Entnahmen anlässlich des Ausscheidens der Anlage aus dem Betriebsvermögen.

Zu den steuerfreien Einnahmen gehören insbesondere

  • die Einspeisevergütung,
  • Entgelte für anderweitige Stromlieferungen, z.B. an Mieter,
  • Vergütungen für das Aufladen von Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugen,
  • Zuschüsse und
  • bei der Einnahmenüberschussrechnung vereinnahmte und erstattete Umsatzsteuer.

Steuerfreie Entnahmen liegen vor, wenn der Strom für betriebsfremde Zwecke verwendet wird:

  • Der mit der Photovoltaikanlage erzeugte Strom wird neben der teilweisen Netzeinspeisung in den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Räumen verwendet. Gleiches gilt, wenn der Strom in vom Steuerpflichtigen unentgeltlich überlassenen Räumen verwendet wird.
  • Der mit der Photovoltaikanlage erzeugte Strom wird neben der teilweisen Netzeinspeisung in Räumen verwendet, die der Erzielung von Einkünften aus einer anderen Einkunftsquelle dienen, z. B. das häusliche Arbeitszimmer im Rahmen einer Arbeitnehmertätigkeit des Steuerpflichtigen.
  • Der mit der Photovoltaikanlage erzeugte Strom wird neben der teilweisen Netzeinspeisung für das Aufladen eines Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugs genutzt. Eine Entnahme liegt nicht vor, wenn das Fahrzeug zum Betriebsvermögen des die Photovoltaikanlage betreibenden Betriebs gehört.

Der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung oder Entnahme einer Photovoltaikanlage aus einem Betriebsvermögen eines Betriebs, der nur steuerfreie Einnahmen und Entnahmen nach § 3 Nummer 72 EStG erzielt, fällt unter die Steuerbefreiung des § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG.


Was passiert mit bisher gebildeten Investitionsabzugsbeträgen?

Die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG setzt eine betriebliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht und damit mit prognostiziertem (steuerrelevanten/steuerpflichtigen) Totalgewinn voraus.

Werden in diesen Fällen Einnahmen und Entnahmen ausschließlich aus der Stromerzeugung von Photovoltaikanlagen erzielt, die nach § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG begünstigt sind, gilt Folgendes:

  • In nach dem 31. Dezember 2021 endenden Wirtschaftsjahren scheidet die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen aus, da ein Gewinn nicht mehr zu ermitteln ist.
  • Investitionsabzugsbeträge, die in vor dem 1. Januar 2022 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen und bis einschließlich zum 31. Dezember 2021 noch nicht gewinnwirksam hinzugerechnet wurden, sind nach § 7g Absatz 3 EStG rückgängig zu machen.

Soweit die Photovoltaikanlage Betriebsvermögen eines Betriebes ist, dessen Zweck nicht nur die Erzeugung von Strom aus Photovoltaikanlagen ist, sind die Regelungen zu den Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG weiterhin anzuwenden.


Was passiert mit Betriebsausgaben im Zusammenhang mit PV-Anlagen?

Alle Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Betrieb von begünstigten Photovoltaikanlagen stehen, sind nicht abzugsfähig. Ein Betriebsausgabenabzug in Veranlagungszeiträumen vor 2022 bleibt unberührt.


ACHTUNG : Was passiert bei ansonsten vermögensverwaltenden Personengesellschaften?

Bei im Übrigen vermögensverwaltend tätigen Mitunternehmerschaften, die bislang nur aufgrund des Betriebs einer oder mehrerer Photovoltaikanlagen gewerblich infiziert waren, sind sämtliche Wirtschaftsgüter, insbesondere die Gebäude, auf, an oder in dem sich eine Photovoltaikanlage befindet, mit Ausnahme der Photovoltaikanlagen in 2022 zu entnehmen. Aus Vertrauensschutzgründen wird von einer Entnahme abgesehen, wenn die Verstrickung der stillen Reserven bis zum 31. Dezember 2023 aus anderen Gründen wiederhergestellt ist.

Dabei ist zu beachten, dass die aufgedeckten stillen Reserven nicht insgesamt unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 EStG fallen. Nur, soweit es sich um stille Reserven aus entnommenen PV-Anlagen handelt, ist der Aufgabegewinn steuerfrei.

Sollte ein entsprechender Fall bei Ihnen aus Ihrer Sicht möglich sein oder sogar konkret vorliegen, so sprechen Sie uns bitte an. Wir helfen hier gerne weiter.


Kann die Steuerermäßigung für Handwerkerleistung genutzt werden?

Ausschließlich für Zwecke des § 35a EStG ist bei Photovoltaikanlagen, die die Voraussetzungen des § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG erfüllen und die auf, an oder in zu eigenen  Wohnzwecken genutzten Gebäuden montiert sind, zu unterstellen, dass diese bereits ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden.

Bei Vorliegen der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des § 35a EStG kann die Steuerermäßigung gewährt werden.


Wann erfolgt die Anwendung der neuen Regelungen?

Die Grundsätze dieses BMF-Schreibens gelten für alle Einnahmen und Entnahmen, die nach dem 31. Dezember 2021 erzielt oder getätigt werden.

Somit fallen auch „Altanlagen“ ab 2022 unter die Steuerbefreiung. Sie lösen dann zum 1. Januar 2022 eine Betriebsaufgabe aus (wenn der Betrieb nur aus begünstigen Anlagen besteht). Der Gewinn aus der Betriebsaufgabe ist auch nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei.

Diese Regelung gilt auch in den Fällen eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs.

Die zeitliche Zuordnung richtet sich nach der Art der Gewinnermittlung (z. B. nach dem Zu- und Abflussprinzip bei Einnahmenüberschussrechnung).

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